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Vortrag / Lesung / Diskussion / Video


'1945 gab es in der deutschen Geschichte einen heftigen Einschnitt,
jedoch nicht in der Drogenpolitik:
Drogen-Gesetze, die negative Drogen-Terminologie und der Krieg gegen das ‚Rauschgift’
wurden von den Nachkriegs­demokraten direkt von den Nazis übernommen
und bis heute weitgehend beibehalten.
Die bundesrepublikanische Gegenwartsgesellschaft hat offensichtlich mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber die Vergangenheit noch lange nicht mit ihr.'

Werner Pieper

'Wir Deutsches Volk — wie wir das nennen — wie wir in den zwanziger Jahren hingerissen waren von den Häuptlingen des Ersten Weltkrieges,
die jetzt Drogen nahmen, Kokain und Opium, löffelweise,
umgeben von Kokain-Jüngern!
Sozusagen angemacht von denen.
Hitler, angemacht von Dr. Morell Pervitin,
Goebbels, täglich zweimal Heroin - oder keine Rede!
Die UFA blühte nur durch Koks, wo der Mann von der Mutter da war.
Göring, dezenter Opium-Raucher.
Ich weiß noch, dass Baldur von Schirach gefixt hat,
sogar unser einst verjagter Kaiser Wilhelm hat sage und schreibe in Holland Haschisch geraucht.'

Wolfgang Neuss

 

 

Werner Pieper Verleger und Ex-Dealer

Gibt Einblick in die Recherchearbeit für das gleichnamige Buch und untersucht in seinem Vortrag die Kontinuitäten der nationalsozialistischen Drogenpolitik.

 

 

Ronald Steckel

hat 1969 DAS grundlegende 1.originäre deutsche Drogenbuch der psychoaktiven Neuzeit geschrieben.
Das Buch Bewußseinserweiternde Drogen war die Bibel der damaligen deutschen Gegenkultur. Inzwischen ist Steckel ein international bekannter Künstler und Regisseur.
Zu seinen Veröffentlichungen gehören Bücher, Esssays, Hörstücke und Features, Kompositionen für Theaterstücke, Klang-Insattationen, Konzert-Performances und Theaterstücke.

 

 

Der Kriminologe Wolf Kemper

spricht über Pervitin als die Endsiegdroge.

 

 

Prof. Dr. Friedrich Kittler Humboldt Universität

'Die Medientheorie hängt mir schon wieder langsam zum Hals raus und deshalb mache ich ja Seminare zur 'Geschichte der Droge' statt zur 'Geschichte der Medien''
- referiert über Krieg und Drogen.

 

 

Im Begleitprogramm

zeigen wir exemplarische Filmbeispiele die von renommierten Videokünstlern und Filmexperten ausgewählt werden. Darüber hinaus wird es Lesungen zeitgenössischer Literatur Kisch, Fallada, Klaus Mann geben.

 

 

Barbara Philipp Schauspielerin liest ausgewählte Texte
Uli Happe
Künstler zeigt Videos

 

 

INFO

In dem jüngst von Werner Pieper herausgegebenen Buch Nazis on Speed - Drogen im 3. Reich lautet die zentrale These:
'1945 gab es in der deutschen Geschichte einen heftigen Einschnitt, jedoch nicht in der Drogenpolitik: Drogen-Gesetze, die negative Drogen-Terminologie und der 'Krieg gegen das Rauschgift' wurden von den Nachkriegsdemokraten direkt von den Nazis übernommen und bis heute weitgehend beibehalten. Wir mögen mit der Vergangenheit abgeschlossen haben, aber die Vergangenheit noch lange nicht mit uns.'

 

Wenn deutsche Massenmedien über Drogen berichten, geschieht das meistens mit der üblichen Sensationshascherei, was an sich nicht weiter beunruhigend wäre, traut man diesem Gewerbe inzwischen doch so ziemlich alles zu.
Was aber besonders auffällt, ist der immer wieder gerne hervorgebrachte Hinweis, dass das Drogenproblem ja durch die Hippies oder die ominösen 68er in unsere heile deutsche Welt Einzug gehalten hätte.

Dies ist pure Geschichtsfälschung auf Kosten von Tatsachen und von Minderheiten. Es gab selbstverständlich auch schon vor dem Mai 68 eine blühende, durchaus heterogene Drogenszene - auch und gerade während der Naziherrrschaft.
Während der private und persönliche Gebrauch von Rauschdrogen von den Nazis verteufelt wurde, wurden die leistungssteigernden Pulverdrogen Pervitin für den Kriegseinsatz gerechtfertigt. Die Nazis spielten hervorragend auf der Tastatur der Doppelmoral und Propaganda.

 

Laien wie Fachleute sind verblüfft, wenn ihnen bewusst wird, das der Grossteil der Pulverdrogen des 19. und 20. Jahrhunderts ohne erkennbaren Grund von deutschen Chemikern entwickelt wurden: Morphium, Heroin, Kokain, MDMA Ecstasy, Pervitin, Methadon.

Lange Zeit beherrschte Deutschland den Weltmarkt für Rauschgifte und deren chemische Grundstoffe - und tut es noch bis heute.
Denn ohne die chemischen Grundstoffe, die damals wie heute häufig von deutschen Chemiefirmen Boehringer, Merck, Hoechst, Bayer stammen, könnten heute die Drogenchemiker in Kolumbien oder Laos kein Kokain oder Heroin herstellen.

 

Seit Jahrhunderten dienten Soldaten als Vorreiter im Gebrauch und als Schrittmacher in der Verbreitung neuer Drogen. Tabak verbreitete sich durch den 30jährigen Krieg flächendeckend, 1870/71 wurde die Morphium-Fixe eingeführt, im 1. Weltkrieg Heroin und Kokain.
Im 2. Weltkrieg Pervitin Amphetamin=Speed.

Russische Soldaten kehrten aus dem Afghanistankrieg, genauso wie ihre amerikanische Kollegen zuvor aus Vietnam, als Kiffer und Fixer zurück. Das Militär diente weltweit immer als Geburtsort für eine spätere nationale Drogenkultur. Dies war in den 30er Jahren genauso.

Wolfgang Neuss brachte dies auf den Punkt:
' Wir Deutsches Volk - wie wir das nennen - wie wir in den zwanziger Jahren hingerissen waren von den Häuptlingen des Ersten Weltkrieges, die jetzt Drogen nahmen, Kokain und Opium, löffelweise, umgeben von Kokain-Jüngern! Sozusagen angemacht von denen.
Hitler, angemacht von Dr. Morell
Pervitin, Goebbels, täglich zweimal Heroin - oder keine Rede! Die UFA blühte nur durch Koks, wo der Mann von der Mutter da war. Göring, dezenter Opium-Raucher.
Ich weiß noch, dass Baldur von Schirach gefixt hat, sogar unser einst verjagter Kaiser Wilhelm hat sage und schreibe in Holland Haschisch geraucht. '

 

Doch bald erforderte die politische Lage Leistung - militärische Leistung. 1933 verschärfte man wohl das Opiumgesetz, erweiterte die Strafmaßnahmen um einen KZ-Aufenthalt etc. Rauschgiftsüchtige galten als Volksschädlinge, doch der Konsum blühte.
Es gab während des 3.Reichs eine florierende legale und illegale Drogenkultur. Diese wurde allerdings von einem Stoff überragt: Ab 1938 wurde Pervitin Apmhetamin=Speed=Wachmacher zur neuen Leistungs -Droge im 3. Reich.

Sein rücksichtsloser Einsatz fand dann aber sogar in der Wehrmacht kritische Stimmen. So berichtet Wolf R. Kemper:
' Obwohl 1944 das Pervitin immer noch, trotz aller Warnungen, an allen Fronten und in der Rüstungsindustrie weiterhin zum Einsatz kam, sind die Folgen des Konsums nicht zu übersehen.
Die Soldaten und Arbeiter brauchen immer längere Regenerationszeiten, um die Leistungsphasen unter Methamphetamin zu verkraften.
Das Oberkommando der Wehrmacht unter der Führung von Hitler, der noch immer nicht den Endsieg in Frage stellte (...)suchte weiter nach der ultimativen Leistungsdroge, die das Pervitin an Effektivität übertrifft. '

 

Um mit der Doppelmoral des Drogenkonsums klarzukommen, verteufelten die offiziellen Stellen den individuellen Konsum. Das forcierte Feindbild des Rauschgiftsüchtigen verlangte nach neuen, auch semantisch entwertenden Termini.
So kam es zu einer Neudefinition der psychoaktiven Substanzen und ihrer Konsumenten. Wortkreationen wie Rauschmittel, Suchtgifte oder Rauschgiftkranke; wurden lanciert und verliehen den Betroffenen ein verächtliches Image, das bis heute die Diskussion beherrscht.
Der kollektiv-völkische Konsum Pervitin hingegen wurde gepusht - weil er wichtig für die Kriegswirtschaft war.

 

 

DIE VERANSTALTUNG

'Es gehört zum Wesen und Charakter der technischen Zivilisation, dass sie in jedem Sinne giftig ist. Gift ist ihr Merkmal, Gift ist ihr unauslöschliches Zeichen.
Gibt es, so fragen wir, eine groteskere Situation als die, wenn Angehörige einer Gesellschaft
welche die Natur immer mehr aus ihrem Dasein verbannt
und welche unter anderem die Welt mit ihren synthetisch hergestellten Beruhigungs-, Schlaf-, Aufputsch- und sonstigen Pillen überschwemmt,
fremden und ungleich naturnäheren Völkern vorwerfen sie suchten mit Hilfe von schädlichen Rauschgiften
d.h. Mohnsaft, Hanfextrakt, Pilzen, Kaktusscheiben, Windsamen - also lauter reinen Pflanzenstoffen‚ unerlaubte und künstliche Extasen?'
Gustav Schenk

 

Die meisten Menschen mit denen wir im Vorfeld zu der Veranstaltung Drogen im 3. Reich gesprochen haben, kannten ein oder zwei Gerüchte über den Drogenkonsum einiger Nazigrössen.
Wir erhielten Hinweise auf beiläufige Drogenstellen in wissenschaftlichen Publikationen, wir lasen die wenigen spärlichen Veröffentlichungen über Drogen in Nazideutschland.
Erst Werner Pieper hat mit seinem Buch eine Steilvorlage geliefert.
Zu seiner Motivation dieses Buch zu verlegen sagte er:
'Ich bin Jäger und Sammler, ein fleißiger Aufspürer missachteter oder übersehener Informationen - ein neugieriger Hobbyautor und Selbstverleger.'

 

SENSATION #6 ist keine Wissenschaftsveranstaltung, kein akademischer Abend.
Wir möchten vielmehr mit dieser Veranstaltung die interessierte Öffentlichkeit für diese, weitgehend tabuisierte, Thematik sensibilisieren.
Dazu haben wir verschiedene Fachleute einladen, die in eigens dafür erarbeiteten Vorträgen und in einer kleinen Diskussion das Thema einkreisen, um einen ersten Überblick über dieses komplexe Gebiet zu geben.

 

 

DAS BUCH

Zum Thema ist im letzten Jahr ein zweibändiges Buch im Werner Pieper Verlag erschienen:

NAZIS ON SPEED - Drogen im 3. Reich
;

Band 1 - ISBN 3-930442-53-1 + Materialband - ISBN 3-930442-54-X

 

 

Die Kampf-Droge der Nazis Sachsenhausen

Artikel aus der BZ vom 18.11.02

Mit einer Wunderpille wollten die Nazis Soldaten in Kampfroboter verwandeln.
Das ergaben neue Forschungen des Hamburger Kriminologen Wolf Kemper, berichtet Focus. Mit Unterstützung der Historiker Volker Hartmann und Rainer Obert sammelte Kemper Material über das Medikament D-IX.

Die Kampf-Droge bestand überwiegend aus Kokain und Amphetaminen und sollte Soldaten zu nahezu unbegrenzt belastbaren Kämpfern machen. Sie wurde zunächst an Besatzungen von Kleinst-U-Booten und die Kampfschwimmereinheit Forelle verteilt.
'Die Ergebnisse müssen so überzeugend gewesen sein, dass man einen Höchstbelastbarkeitstest an marschierenden Menschen durchführen wollte.
Durchgeführt wurde der Versuch im November 1944 an Häftlingen des KZ Sachsenhausen (...'

 

 

DIE SENSATION REIHE

 


Das projektierte Symposium soll den Grundstein für eine spätere umfassende Ausstellung/Veranstaltung zu dieser Thematik legen, die für den Herbst 2003 in Vorbereitung ist.


 

ORT / Tempodrom / Kleine Arena / Möchernstrasse 10 / Kreuzberg
EINTRITT / 7,- € / ermässigt 5,- €
VERANSTALTER / transition / Oranienstrasse 22 / 10999 Berlin
KONTAKT / Friedhelm Böpple / TEL 030 61 40 28 40 / friedhelm@galerie-transition.de
VVK / ab dem 14.02.03 im Elixier / Lychenerstrasse 5 / TEL 442 60 57

 


Preisänderungen sind vorbehalten...




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